26. Oktober 2023

Besuch bei der Shiptec AG, Werftestrasse 5, Luzern    https://www.shiptec.ch/

21 Personen vom UNS haben an der Führung hinter die Kulissen der Shiptec AG teilgenommen. Dieser Betriebsbesuch war wieder einmal mehr ein absolutes Highlight, denn wir haben Details gesehen, die andere kaum je zu sehen bekommen und erhielten Informationen von unserem Führer, Andreas Brügger, die anderen vorenthalten bleiben.

Nach der Begrüssung durch Patrick Hagen, Leiter IT, Personal & Unternehmensprojekte und Mitglied der Geschäftsleitung, übergab dieser das Wort an Andreas Brügger, einem langjährigen und inzwischen pensionierten Maschinisten und Techniker. Dieser führte uns kompetent durch Schiffe, zahlreiche Arbeitsbereiche und vermittelte uns hoch interessante Detailinfos.  

Die Shiptec AG wurde 2014 als Tochterunternehmen der SGV-Holding AG gegründet (SGV / Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees). Zur Flotte der SGV gehören fünf Raddampfschiffe (ihre Namen sind Gallia, Schiller, Stadt Luzern, Unterwalden, Uri) und 14 Motorschiffe. Für all diese SGV-eigenen Schiffe sowie im nationalen und grenznahen internationalen Umfeld erbringt die Shiptec AG technische Leistungen in den Bereichen Schiffsentwurf und -engineering, Schiffsbau, Schiffsrevisionen, Umbauten und Schiffsunterhalt. Bei der Shiptec AG sind über 70 Mitarbeitende tätig, die aus 15 verschiedenen Berufen rekrutiert und grösstenteils intern zu Spezialisten für die spezifischen Arbeitsbereiche aus- und weitergebildet wurden. Der Shiptec AG ist die stetige Weiterentwicklung auf allen Ebenen ein grosses Anliegen, um insbesondere ökologisch und ökonomisch nachhaltige Schiffe entwickeln und bauen zu können.

In der Werft der SGV (heute Shiptec) wurden seit 1931 elf Diesel-Motorschiffe gebaut und die fünf grossen Raddampfer von Kohle auf Ölfeuerung umgebaut. Reparaturen und Unterhalt der grossen Dampfer sind aufwändig und kostspielig. Deshalb drohte vor etwa einem halben Jahrhundert gar die Gefahr des Verschwindens der Dampfschiffe aus dem Luzerner Seebecken. Die Luzerner Bevölkerung geriet in Aufruhr und wehrte sich. In der Folge wurde 1972 die Vereinigung «Freunde der Dampfschifffahrt» gegründet, zwecks finanzieller und ideeller Unterstützung zur Erhaltung der Luzerner Dampfschiffsflotte.

Andreas Brügger zeigte uns das schnelle Polizei- und Feuerwehrboot der Stadt Luzern. Dieses wurde nach einer Ausschreibung von der Shiptec entwickelt und gebaut. Das Boot ist neben der Feuerbekämpfung auch auf Bereiche wie Personenrettung, Gewässerverschmutzung und zur Unterstützung der Wasserpolizei ausgerichtet und erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 65 km/h. Für das Boot besteht auch ein Servicevertrag. Ein weiteres Behördenboot lieferte Shiptec danach für die Wasserpolizei des Kantons Freiburg und ein weiteres hat Schaffhausen bestellt.

Interessant waren natürlich die grossen Dampfschiffe. Andreas Brügger führte uns ins Dampfschiff «Uri» und unter Deck in den Maschinenraum. Erbaut wurde das Schiff anno 1901 von den Gebrüdern Sulzer. Seither dampft es in und ab Luzern und wurde inzwischen mehrmals umgebaut und restauriert. Dabei handelt es sich um den ältesten Raddampfer in der Schweiz und er ist von der Luzerner Flotte als einziger wintertauglich. Das Schiff ist 293,5 Tonnen schwer, verfügt über einen 9000 Liter-Öltank (verbraucht 1000 lt. Heizöl von Luzern bis Flüelen und zurück). Der Maschinen-Dampfantrieb funktioniert über zwei Schaufelräder und hat im Kursbetrieb die Kapazität für 800 Personen. Im Maschinenraum wird es im Sommer 40 – 50 Grad heiss. Andreas Brügger war selber jahrelang Maschinist, d.h. verantwortlich für die Steuerung der Maschinen sowie das Abbremsen. Er berichtet, die Vollbremsung eines Raddampfers sei äusserst schwierig und bedinge viel Erfahrung. Das Schiffspersonal muss deshalb je dreimal jährlich die denkbaren Not-Situationen trainieren.

Grösstes Dampfschiff ist die «Stadt Luzern», es ist 415 Tonnen schwer, verfügt über eine Kursfahrtkapazität für 1200 Personen und wurde 1928 in Betrieb genommen. Das Schiff wurde von den Gebr. Sachsenberg in Rosslau an der Elbe in Deutschland gebaut und geliefert, was damals zu reden gab.

Das riesige Dock zum Heben und Wassern von Schiffen, für Reparaturen und Unterhalt, wurde 1906 von Sulzer hergestellt und es funktioniert ähnlich wie ein U-Boot. Derzeit wird an einem neuen Dock getüftelt, ein Hebewerk, um effizienter arbeiten zu können. 

Beschädigungen an Antriebs-Propellern, welche durch Abnützung, Kollisionen mit Schwemmholz oder anderen Gegenständen entstehen können, müssen von einem Spezialisten bis hin zu kleinsten Rissen und Beschädigungen repariert werden. Andreas erklärt uns, diese Arbeit sei extrem anspruchs- und wertvoll und brauche sehr viel Erfahrung.

Das Motorschiff Saphir wurde von der Shiptec für die SGV mit Hybrid-Antrieb gebaut, mit dem Ziel Touristen und Einheimische möglichst schnell transportieren zu können. Im Hinblick auf eine Neumotorisierung und erhöhte Nachhaltigkeit ist geplant, das Saphir-Schiff auf einen mit Wasserstoff betriebenen Antrieb umzurüsten – zum ersten wasserstoffbetriebenen Schiff in der Schweiz. Bravo!

In der riesigen Werfthalle standen wir vor dem grossen Motorschiff Rütli, das derzeit umgebaut wird und künftig rein elektrisch angetrieben werden soll. Aus Gründen der Redundanz werden die Kapazität der Batterien auf drei Sektionen verteilt. Dies, damit im Falle eines Ausfalls einer Batterie eine zweite oder gar dritte Sektion zur Verfügung steht.

Alle SGV-Schiffe werden vom Shiptec-Personal gewartet. Da im Winter weniger Servicearbeiten anfallen, wurde bereits vor einigen Jahren mit dem Schiffsbau begonnen, um die Mitarbeitenden auch im Winter voll beschäftigen und deren Knowhow aus der Praxis optimal nutzen zu können. Damals begann der Aufbau von Knowhow ganz bescheiden, zusammen mit einem einzigen Ingenieur. Sukzessive wurde aufgrund von Erfahrungen das nötige Wissen aufgebaut. Inzwischen baut die Shiptec Schiffe nicht nur für die ganze Schweiz, sondern auch für ausländische Kunden.

Shiptec entwickelt sich stetig weiter. Derzeit wird intern, nebst dem Schiffsbau, dem Service für SGV-Schiffe, dem Spezial-Bootsbau und Service für Behörden-Boote sowie für Gesellschaftsschiffe von Privaten, für den Bau von Lastschiffen geforscht.

Ebenso wird geforscht, wie ein kleineres Gesellschaftsschiff aus dem Kanton Nidwalden in ein (teil)autonom fahrendes Schiff umgebaut werden könnte. Das wäre revolutionär!

Jüngst wurden für den Genfersee zwei Schiffe für den Pendelverkehr gebaut. Andreas erwähnt, für diesen Auftrag seien Transport und Zusammenbau logistisch extrem komplex, denn alle nötigen Bauelemente müssten auf mehrere Transportfahrzeuge verteilt, von Luzern und weiteren Standorten im In- und Ausland an den Genfersee gefahren und in Lausanne zusammengebaut werden.

Zwecks ganzjähriger Erreichbarkeit des Bürgenstock-Ressorts musste eine Lösung für den Personentransport gefunden werden. Hierfür schlug die Shiptec den See-Transportweg mittels Shuttle-Schiff von Luzern zur Bürgenstockbahn in Kehrsiten vor. Diese Idee gefiel der Bauherrschaft und die Shiptec erhielt den Zuschlag für den Bau des 6-Millionen-Schiffes mit einem Vollhybrid-Antriebs- und Energiemanagementsystem.

In der Folge entstand die Idee, weitere Shuttle-Schiffe dieser Art herzustellen, das Marketing zu erweitern und für den öffentlichen Verkehr weltweit anzubieten. Ergo riskierte man die Teilnahme an der internationalen Bootsmesse in Stockholm. Erste Interessenten waren die Schweden, aber das Shiptec-Schiff war ihnen zu teuer. Weitere Interessenten folgten. Letztlich wurde aber kein einziges Schiff in Stockholm verkauft. Man sei deshalb nicht entmutigt, sondern halte Ausschau nach einem zusätzlichen Standort im Ausland. Infolge Spezialisierung auf die Binnen-Schifffahrt könnte Holland ein idealer Filial-Standort werden.

Andreas Brügger ist nach wie vor spürbar begeistert von der Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee. Er schwärmt von abendlichen Fahrten mit dem eleganten Motorschiff Diamant, mit unbeschreiblich schöner Panoramaweitsicht und phantastischen Sonnenuntergangs-Stimmungen.

Alle Besucher*innen waren begeistert vom Shiptec-Besuch. Und ein Teilnehmer schrieb noch am gleichen Abend in einer E-Mail an UNS, was wohl viele dachten: 
«Auch der heutige Besuch bei Shiptec war aus meiner Sicht ein Knüller». Und weiter:
«Viele wissen bestimmt nicht, dass die Shiptec die Nase in Sachen umweltgerechten Bootsantrieben die Nase resp. den Bug schon sehr weit vorne hat.»

Nachfolgend ein paar Bilder


Andreas Brügger (2.v.l.) erklärt uns das Polizei- und Feuerwehrboot der Stadt Luzern, welches von der Shiptec erbaut worden war und im Hafen jederzeit einsatzbereit stationiert ist.

Eine Augenweide im Luzerner Seebecken – die wunderschönen alten Dampfschiffe! Im Hafen liegt auch das grösste Dampfschiff namens «Stadt Luzern» (1.v.r.) vor Anker.

Hier ein bisschen Nostalgie – schauen Sie sich mal die uralten Schifffahrts-Billette an. Ältere Semester werden schmunzeln und sich an vergangene Zeiten und Fahrten mit Karton-Billetten erinnern, wie sie im gesamten ö.V. der Schweiz üblich waren.

Ein Highlight war der Maschinenraum, den wir nach dem steilen Abstieg über eine Leiter zu sehen bekamen. Alle Durchgänge und Arbeitsplätze sind räumlich knapp bemessen und uns werden alle wichtigen Betriebs- und Steuer-Funktionen erklärt.

Hier ist ein Teil des Maschinisten-Arbeitsplatzes zu sehen. Andreas Brügger erklärt uns eine Besonderheit, nämlich wie die Vollbremsung eines Dampfschiffes funktioniert. Hoch interessant!

Ein Blick in die riesige Werfthalle, in deren Mitte derzeit das Motorschiff namens Rütli steht, um den bisherigen Motor-/Hybrid-Antrieb auf einen rein elektrischen Antrieb umzubauen.

Rechts vom Steg ist das dunkle und riesige Eisen-Dock zu sehen, welches wie ein U-Boot funktioniert. Schiffe jeder Grösse können darauf angehoben, gewartet, repariert und/oder restauriert werden und anschliessend vom Dock wieder in den See gleiten. 

In einem relativ kleinen Arbeitsraum erklärt uns Andreas, wie die teils sehr grossen Schiffs-Antriebs-Propeller auf Risse und andere Beschädigungen kontrolliert und von einem erfahrenen Spezialisten in aufwändiger Präzisionsarbeit repariert werden.

Text        Anita Herzig
Bilder     Irène Suppiger