5. Oktober 2021

Muff Kirchturmtechnik AG        https://www.muffag.ch/    

1918 wurde das Unternehmen von Elektroingenieur Johann Muff gegründet. Heute wird der Betrieb in dritter Generation von Thomas und Stephan Muff geführt und beschäftigt rund 45 Mitarbeiter*innen. Muff ist Spezialisiert auf die Restauration und Erneuerung kunsthistorisch wertvoller Bausubstanzen an und in Kirchen und Klöstern. Im Laufe der Jahrzehnte wurden stetig neue Eigenprodukte erfolgreich entwickelt. Gemeinden und Klöster finden bei Muff komplexe Technologien für das reibungslose Funktionieren sämtlicher Anlagen. Durch Informatiker und Elektronikingenieure wurden Systeme für das perfekte Betreiben von Uhren- und Glockenanlagen entwickelt, verbunden mit der elektronischen Steuerung von Turmbeleuchtung, Türen, Storen, Heizungs- und Klimaanlagen, Orgel-, Mikrofon- und Sprech-Akustik. Hoch komplex und hoch interessant!

Jede Turmuhr, die restauriert werden soll, ist eine neue Herausforderung, weil von den allermeisten Kirchtürmen und Uhrwerken keine Pläne existieren und Kirchen und Klöster meistens unter Denkmalschutz stehen. Hier ist das Knowhow und die Erfahrung von Oskar Näpflin gefragt, der seit 1972 im Betrieb ist, inzwischen pensioniert, aber ein grosser Kenner unzähliger Objekte im In- und Ausland. Näpflin führt uns denn auch durch den Betrieb und das Museum. Dabei ist seine Leidenschaft für Kirchtürme und historische Gebäude deutlich spürbar. Unzählige Aufträge hat er bearbeitet und von der Beratung und Planung bis hin zur Montage begleitet.

Auftraggeber sind vorwiegend Gemeinden und Klöster aus dem In- und Ausland. Dabei muss stets auch mit dem örtlichen Denkmalschutz zusammengearbeitet werden. Jeder Auftrag wird von Grösse und Technik her inhouse massgeschneidert und für jeden Kunden individuell geplant, gefertigt und vor Ort installiert. So wie sich jeder Kirchturm von andern unterscheidet, sind auch die Herausforderungen äussert unterschiedlich. Langweilig wird es fürs Personal sicher nie, denn hier ist tagtäglich die Kreativität gefordert. Muff repariert, restauriert und erneuert jährlich rund 80 Turmuhren unterschiedlichsten Alters. Unzählige und teils Jahrhunderte alte Uhr- und Glockenwerke wurden bei Muff restauriert und nach neuesten technischen Erkenntnissen wieder eingebaut. Bei Muff werden auch alte und verwitterte Zifferblätter, Uhrzeiger und Ziffern sowie weitere Turmschmuckgegenstände wie Kreuze, Hähne, Dokumentenkugeln etc. restauriert.

Glocken werden bei spezialisierten Glockengiessern gegossen, nötige Klöppel und vieles mehr, inkl. technischer Steuerung, kommen von Muff. Muff ist in der Schweiz der einzige Klöppelproduzent. Hier entstehen in der Hammerschmiede Klöppel, die für jede Glocke anders dimensioniert werden müssen. Dabei wird ein Rohling auf 1200° erhitzt und in mehreren Arbeitsgängen zwischen Ofen und in einer (von zwei) bis zu 100-Tonnen-Druckmaschine (je nach Klöppelgrösse) in die richtige Form gehämmert. Gemeinde- oder Kirchenvertreter als Auftraggeber können dabei sogar durch ein Sichtfenster von oben zusehen, wie ihre Klöppel entstehen.

Glockenjoche und Glockenstühle als Tragwerk für Glocken unterschiedlichster Grössen, werden bei Muff ausschliesslich aus Holz hergestellt (nach wenig positiven Erfahrungen mit Metallaufhängungen) und montiert. Die Glocken selbst werden noch heute, einer alten Tradition folgend, mit Hanfseilen in die Kirchtürme aufgezogen.

Dazu kommen die hoch entwickelten und komplexen Technologien von Muff, für das perfekte Funktionieren von Uhren- und Glockenanlagen sowie die elektronische Steuerung sämtlicher Systeme. Muff-Systemsteuerungen befinden sich bereits in zahlreichen historisch bedeutenden Kirchen und Klöstern in der Schweiz sowie in einigen weltbekannten Gebäuden in Europa – so im Mailänderdom, im St. Stephansdom in Wien und in diversen Kirchen im Vatikan.

Im eignen Museum können zahlreiche uralte Uhrwerke bewundert werden, eines sogar mit Mondphasenanzeige aus dem Jahr 1575 . Ein Museumsbesuch lohnt sich!

Hier ein paar Eindrücke in Bildern


UNS-Mitglieder und Gäste freuen sich auf die Betriebs- und Museumsbesichtigung, vor dem Haupteingang zur Firma Muff Kirchturmtechnik AG. Begrüsst wurden wir von Oskar Näpflin mit einem Glockenspiel, das an der Decke des Treppenaufgangs zum Museum installiert ist. Ganz links im Bild ist auch wieder einmal unser Hoffotograf René Lang erkennbar. Er ist fast immer dabei, aber nur selten auf einem Bild. 


Erste sogenannte Klanguhren gab es in Italien bereits ab 1269. Hier, im Treppenhaus des Betriebes, das riesengrosse Werk einer von Hand geschmiedeten Turmuhr, deren Glockenspiel mit einem Gewicht (schwerem Stein) betrieben wurde. Das Gewicht am Seil musste dann jeweils vom Kirchensiegristen sporadisch von Hand und mit recht viel Kraftaufwand aufgezogen werden. 


Produktionsleiter Gfeller erklärt uns in der mechanischen Werkstatt, wie z.B. Dreh- und Frästeile aus Stahl oder Messing auf CNC-Anlagen produziert werden, die früher noch von Hand gedreht wurden. Hier werden Teile für den Eigenbedarf und als Lohnaufträge für andere Unternehmen produziert. Dabei handelt es sich um die einzige Massenanfertigung bei Muff.


In der Schlosserei wird derzeit gerade ein riesiges Kreuz neu geschmiedet. Die Verzierungen sollen letztlich vergoldet werden. Auch ein völlig verwitterter grosser Hahn liegt zur Nachbildung bereit (hier im Bild nicht sichtbar), soll also neu geschmiedet und vergoldet werden. Die Vielfalt der Aufträge punkto Formen kennt keine Grenzen.


Hier werden elektronische Steuerungstableaus hergestellt, sodass ein Kirchensiegrist das System sogar via Handy, unabhängig vom Standort, steuern kann. Was Muff an Restaurationen und Steuerungen anbietet, wird inhouse geleistet. Und weil reine Handarbeit bei allen Aufträgen überwiegt, belaufen sich die Materialkosten lediglich auf durchschnittlich 10 Prozent.


Hier befinden wir uns im akustisch gut isolierten Klanglabor, wo jeweils Elektroingenieure den Klang, bzw. den Schwingwinkel für den erwünschten Klang von unterschiedlich grossen Glocken berechnen. Muff arbeitet in allen Bereichen der technischen Entwicklung auch mit Universitäten zusammen und investiert viel in die Forschung.


Im Museum lauschen wir – sinnigerweise auf Kirchenbänken sitzend – den interessanten Worten und Erklärungen von Oskar Näpflin während seiner PowerPoint-Präsentation. Hinten im Raum sind zahlreiche alte und von Hand geschmiedete Glockenturmuhrwerke zu sehen, die wir anschliessend im Detail besichtigen und die alte Handwerkskunst des Schmiedens bestaunen und teils uralte Techniken von Uhrwerken kennenlernen.  


Oskar Näpflin erklärt uns, wie alte Zifferblätter zuerst gereinigt, grundiert und zweimal mit der vom Denkmalschutz vorgegebenen Farbe lackiert und die Ziffern anschliessend mit einer 24-Karat-Goldfolie vergoldet werden. Nach Auftragung einer Vergoldung dürfen Ziffern (oder andere vergoldete Gegenstände) nur noch mit Samthandschuhen berührt werden, um dunkle Verfärbungen auf den Vergoldungen zu vermeiden.


Muff hat sich einen Namen im Umgang mit der Vergoldung von Gegenständen gemacht. Im Arbeitsraum, wo Reliquien und Gegenstände aller Art vergoldet werden, befindet sich im Bild ein bereits vergoldeter grosser Hahn und vor Oskar Näpflin eine riesige Dokumentenkugel. Solche sind häufig auf Kirchtürmen zu sehen und in Samedan soll sich eine Dokumentenkugel von sage und schreibe 2,5 Metern Durchmesser befinden.


Wer während einem Betriebsbesuchs schon mal Anita über die Schultern geguckt hat, um zu sehen, was sie da auf ihrem Miniaturblöckli notiert, wird sich gefragt haben, ob sie das Gekritzel jemals wieder lesen kann. Ja, sie kann, denn ihre Steno-Hieroglyphen bilden jeweils die Basis ihres Berichts für die UNS-Homepage. Sie will  schreiben, was wir beim Besuch erlebt, gesehen und gehört haben und weniger das, was jeder selber in der Homepage des besuchten Unternehmens lesen kann.  

Text      Anita Herzig
Bilder   René Lang