11. Mai 2022 - Justizvollzugsanstalt Bostadel 

https://www.zg.ch/behoerden/weitere-organisationen/justizvollzugsanstalt-bostadel/strafanstalt-bostadel 

17 Mitglieder und Gäste haben sich zur Bostadel-Besichtigung angemeldet. Empfangen wurden wir von André Strickler, Leiter Produktions- und Dienstleistungsbetriebe und Mitglied der Geschäftsleitung. Er informierte uns über die Bostadel-Entstehungsgeschichte, die Aufgabenbereiche und viele statistische, teils hoch interessante Zahlen (diese sind auch über  www.bostadel.ch, unter Zahlen und Fakten, einsehbar), er führte uns durch zahlreiche Räumlichkeiten und gab auf unsere vielen Fragen bereitwillig Antworten, sodass unsere Führung etwas länger dauerte als geplant.
 

Historie
Die Justizvollzugsanstalt Bostadel ist eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt, deren Geschichte bis ins Jahr 1864 zurückgeht. In dieser Zeit wurden in der Schweiz drei grosse Gefängnisse eröffnet und zwar in Regensdorf, in Lenzburg und in Basel. Letzteres wurde auf städtischem Boden erbaut und unter der Bezeichnung «Strafanstalt Schällenmätteli» in Betrieb genommen. Für spätere Erweiterungen mangelte es am nötigen Platz. Davon gab es im damaligen Bauernkanton Zug genügend und deshalb schlossen die Kantone Baselstadt und Zug im Jahr 1973 einen Staatvertrag ab und bauten gemeinsam die Interkantonal Strafanstalt Bostadel, weit ausserhalb in der ländlichen Zuger Gemeinde Menzingen.

Im November 1977 wurden erste Gefangene vom Schällenmätteli in den Bostadel transportiert. Seither wurden bis heute mehrmals Um- und Zusatzbauten erstellt – und natürlich laufend in die Modernisierungen im sicherheitstechnischen Bereich investiert. Im Jahr 2020 wurde die Interkantonale Strafanstalt Bostadel in Justizvollzugsanstalt Bostadel umbenannt.

Die Justizvollzugsanstalt Bostadel vollzieht Freiheitsstrafen an Straftätern gemäss Art. 40 und Art. 76 Abs. 2 StGB sowie Massnahmen und Verwahrungen gemäss Art. 63 und Art. 64 StGB. Zudem können Straftäter mit Massnahmen nach Art. 59, 60 oder 61 StGB in Ausnahmefällen zeitlich befristet aufgenommen werden. In der Abteilung für den geschlossenen Normalvollzug können im Grosskollektiv 108 Strafgefangene aufgenommen werden. In der Sicherheitsabteilung gibt es 7 Plätze im Gruppenvollzug und 5 Plätze im Einzelvollzug. Die durchschnittliche Auslastung liegt bei 98,8 %, d.h. die Zellen sind praktisch pausenlos belegt.

Gut gesichert, hinter hohen Mauern und Nato-Drahtrollen, befinden sich der Zellentrakt mit sechs Produktions- und drei Dienstleistungsbetrieben. Angestellt sind rund 83 Personen. Dazu kommen nebenamtliche Mitarbeitende wie z.B. Psychologen, Lehrer und Seelsorge. Alle Mitarbeitenden tragen während der Arbeit ein spezielles Personenschutzalarm-Gerät (PSA) mit sich, um jederzeit Alarm geben zu können, wenn etwas Aussergewöhnliches vorfällt.

In der Bostadel-Geschichte gab es im Jahr 1979 noch 35 Fluchten und 3 Ausbrüche. Dank laufender Modernisierung und Optimierung von Technik und Überwachung, gab es im Jahr 2005 noch eine einzige Flucht ab Freigang – und seither gar keinen mehr.
 

Das Leben als verurteilter Straftäter im Bostadel
Ein zum Bostadel überführter Häftling wird am ersten Tag durch den Oberaufseher (Leiter Sicherheit Normalvollzug) über das Leben im Bostadel informiert. Nach gesundheitlicher Abklärung durch den Gesundheitsdienst wird dem Gefangenen eine für ihn geeignete Arbeit zugeteilt. Gefangene sind gem. StGB Art. 81 zur Arbeit verpflichtet. Dafür bekommen sie auch einen Lohn – zwischen 20 bis maximal 30 Franken pro Tag. Mit diesem Geld müssen Sie für alle persönlichen Auslagen inkl. Gesundheitskosten aufkommen und können z.B. im hauseigenen Kiosk einkaufen.

Viele Gefangene haben keinen Beruf und müssen für die Arbeit angelernt werden. Deshalb stehen vorwiegend mechanisch betriebene Geräte und Maschinen zur Verfügung. Die nachfolgend erwähnten Handwerksbetriebe bieten Arbeiten, die für KMU-Betriebe oder private Auftraggeber ausgeführt werden.

  • Kartonage: Hier werden alle möglichen Qualitäten und Stärken von Kartons nach Kundenwunsch zugeschnitten, gerillt und gefalzt und zu Kartonschachteln nach Mass zusammengestellt.
  • Korbflechterei: Körbe aller Grössen werden geflochten und im eigenen Shop verkauft. Siehe https://shop.bostadel.ch/
  • Malerei / Ablaugerei: Hier werden insbesondere Fensterläden renoviert.
  • Metallbearbeitung: Von Bohrarbeiten bis hin zur Fertigung anspruchsvoller Metallteile auf modernsten CNC-Anlagen werden hier ausgeführt.
  • Montage: Hier werden unterschiedlichste, von einfacheren Montagearbeiten bis hin zum Tampondruck nach Kundenwunsch, ausgeführt.
  • Schreinerei / Stuhlflechterei: Spezialität sind Möbel-Restaurationen, Stühle restaurieren, Stuhl-Geflechte ersetzen sowie neue Möbelbestandteile produzieren.

Weitere Arbeitsmöglichkeiten für Gefangene bieten auch die drei Dienstleistungsbereiche Küche, Reinigung und Wäscherei.

Die Gefangenen in der Sicherheitsabteilung A (Einzelvollzug) arbeiten an Einzel-Arbeitsplätzen, diejenigen in der Sicherheitsabteilung B (Gruppenvollzug) in der Gruppe zu maximal 7 Personen. In beiden Abteilungen wird nur in Begleitung verschoben.

Rauchen ist in der JVA Bostadel erlaubt, jedoch nur in der eigenen Zelle oder in separaten Raucherräumen in den Betrieben. Drogen und Alkohol sind strikte verboten.

Alle Gefangenen sind in Einzelzellen untergebracht. Im Normalvollzug in zwei Häuserblöcken je 54 Gefangene und in der Sicherheitsabteilung 12 Gefangene im Hochsicherheitstrakt. In der Freizeit können die Gefangenen im Normalvollzug allgemein zugängliche Räume für Sport, Innen- und Aussentraining benutzen. Im Sozialbereich steht folgendes zur Verfügung:

  • Briefkasten für persönliche Post
  • Telefonapparate (striktes Handy-Verbot für Gefangene)
  • Bibliothek
  • Zimmer mit Billiard-Tischen und Töggelikästen
  • Fitnessraum mit zahlreichen Geräten
  • Kiosk für den täglichen Bedarf. Bezahlt wird elektronisch, d.h. Einkäufe werden dem persönlichen Konto des Häftlings automatisch belastet.

Für die Gefangenen gibt es auch externe Dienstleistungen. So kommen monatlich eine Coiffeuse oder nach Bedarf auch ein Zahnarzt ins Haus. Diese arbeiten in dafür speziell ausgestatteten Räumen, bei Bedarf unter Aufsicht des Sicherheitsdienstes.

Häftlinge dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auch einen PC benützen und/oder PC-Kurse in Haus besuchen. Natürlich ohne Internetzugang. Auch das Musizieren ist in eingeschränkter Form erlaubt, so z.B. das Gitarrenspielern.

Im Bostadel essen alle Gefangenen im Normalvollzug gemeinsam und gleichzeitig in einem Raum, was für Schweizer Gefängnisse ausserordentlich ist. Das Essen wird täglich frisch zubereitet.
 

Ausgang für Gefangene
Die Anzahl bewilligter Ausgänge für Gefangene waren in der ganzen Schweiz jahrelang relativ grosszügig gewährt worden. Nach bekannten Vorfällen wurden diese stark eingegrenzt. Im Jahr 1984 wurden im Bosatdel z.B. noch rund 850 Ausgänge durch die Vollzugsbehörden bewilligt, 2021 gerade mal noch 15.

 

Sanktionen bei Regelverstössen
Für Gefangene in der JVA Bostadel ist es ratsam, sich peinlich genau an alle Vorschriften und Regeln zu halten, denn wer sich beispielsweise nicht vorschriftsgemäss benimmt oder z.B. die Arbeit verweigert, wird diszipliniert. Dies kann von einem schriftlichen Verweis bis zu Arrest bedeuten – in einer kargen Beton-Zelle mit Oblicht, Steh-WC und künstlich belüftet, ohne soziale Kontakte, ohne irgendetwas zu hören oder zu sehen, ohne Gemeinschaft und das Essen wird nur in Plastikgeschirr durch eine Ess-Luke serviert.

Weil im Bostadel von Anfang an alles klar kommuniziert wird, neu eintretende Gefangene durch die Anlage geführt werden und Vergehen sofort angesprochen und sanktioniert werden, funktioniert das Zusammenleben im Bostadel recht gut und die Arrest-Zellen werden nur selten gebraucht.

Verbotene Gegenstände sowie Drogen und Alkohol dürfen selbstverständlich auch von Besuchern nicht in den Bostadel hineingebracht werden. Der Sicherheitsdienst mit speziell ausgebildeten Diensthunden, namentlich auch für das Aufspüren und Erschnüffeln spezieller Gegenstände und Stoffe, sorgen dafür.
 

Sicherheit innerhalb der Strafanstalt
Zugang in den Bostadel erhält nur, wer als Besucher angemeldet ist und eine schriftliche, zeitlich befristete Besuchsbewilligung erhält. Damit verbunden sind klare Richtlinien, was erlaubt ist und was nicht. Das gilt sowohl für externe Handwerker, Dienstleister, Lieferanten, wie auch für Angehörige und Anwälte von Gefangenen. Im Bostadel haben die Strafgefangenen die Möglichkeit, jedes zweite Wochenende Besucher*innen (Samstag/Sonntag je max. drei Personen) zu empfangen.

Der Zugang in den mehrstöckigen Bostadel ist vergleichbar mit jenen an Flughäfen: Überwachungskameras und dann in mehreren Etappen durch elektronisch gesteuerte Stahl- und Stahlstabtüren mit Gepäck-/Taschenkontrolle, Gang durch die Metalldetektoren-Schleuse, alles bedient und überwacht durch das Sicherheitspersonal.

Im Bostadel gibt es nebst dem Personenschutzalarm fürs Personal, dem 24-Stunden-Bereitschaftsdienst für Ereignisse aller Art und Diensthundegruppe, auch einen eigenen Feuerwehr-Atemschutz-Trupp. Dieser würde bei einem Ereignis die Stützpunkt- und Gemeindefeuerwehr mit Ortskenntnissen unterstützen können.

Infolge zunehmender Missbrauchsgefahr durch Drohnen wurde im Jahr 2018 ein Drohnen-Detektier-System installiert, sodass mögliche Drohnenüberflüge detektiert und ggf. eliminiert werden könnten.
 

Zukunft
Der 45 jährige Altbau ist zwar sehr gut unterhalten, weist jedoch einen hohen Sanierungsbedarf auf. Zusätzlich besteht schweizweit eine zunehmende Unterversorgung hinsichtlich von spezialisierten Haftplätzen für ältere (60+) sowie für verwahrte Insassen. Mit einem zusätzlichen Neubau soll einerseits der Bedarf an 20 spezialisierten Haftplätzen abgedeckt werden und vorab durch Umplatzierung aus dem Altbau der Ausfall der Zellenplätze aufgrund der partiellen Schliessung der zu sanierenden Zellentrakte kompensieret werden.
 

Und noch dies
Im Bostadel geht es offensichtlich erstaunlich gesittet und problemlos zu und her. Der von der Führung verlangte und aktiv vorgelebte Respekt gegenüber Mitarbeitenden und Gefangenen sowie das strikte Sanktionieren von Regelverstössen gehören sicher zum Erfolgsrezept für das problemlose Zusammenwirken.

André Strickler hat sich viel Zeit für uns und unsere vielen Fragen genommen. Dafür nochmals ganz herzlichen Dank! Der Einblick in eine geschlossene Justizvollzugsanstalt war höchst interessant. Die inhaftierten Gefangenen bekamen wir natürlich nicht zu Gesicht und jegliches Fotografieren war verboten. Deshalb gibt es ausnahmsweise nur zwei Bilder – eines von der UNS-Besuchergruppe ausserhalb des Bostadel-Gebäudes und eines vom Nachtessen.

17 UNS-Mitglieder und Gäste warten bei schönstem Wetter gespannt auf den Besuch und die Besichtigung der Strafanstalt Bostadel. (Bild Adrian Lässer)

Abschliessend genossen Beat Arnet, Philipp Stäuble und Anita Herzig (v.l.) im Ochsen in Menzingen ein feines Nachtessen. (Bild Ochsen-Wirtin / Handy von Beat)

Text:        Anita Herzig